Strategien der Bergbauernpolitik
Die Bergbauern werden zur Geldbegründung vorgeschoben, kassieren tun dann andere
Diesen inzwischen bekannten Spruch formulierte Franz Stummer bereits 1973 bei unserem ersten Gespräch der Katholischen Sozialakademie. Er brachte damit das Grundproblem der bestehenden Agrarpolitik auf den Punkt: Das Thema Missbrauch von Kleinbauern im Vorspannmechanismus für die witschaftlichen Interessen der Großen. Inzwischen haben wir das Jahr 2025. Diese Grundform hat sich nicht wesentlich geändert, obwohl dieses Thema die ganze Zeitspanne hindurch von kritischer Agrarpolitik beleuchtet, analysiert und publiziert wurde.
Das wollen wir später genauer ansehen, zunächst soll hier die Geschichte der Gründung der ÖBV, österreichsichen Bergbauernvereinigung Via Campesina geschildert werden.
Der Kampf um den politisch revolutionären Ansatz
Bei meinem ersten Gespräch mit Franz Stummer wurde unsere Zusammenarbeit zur Gründung einer Österreichischen Bergbauernvereinigung beschlossen. An meiner Seite war begleitend der Salzburger Politologe Dr. Walter Tasch, der mich in den ersten Monaten unterstützte.Franz Stummer hatte bereits bei einem Rechtsanwalt die Statuten für Erstellung einer ÖBV in Auftrag gegeben.Ich sollte die Gründung organisieren und bekam dazu die Absolventenkartei der Bildungslehrgänge der Katholischen Sozialakademie. Diese AbsolventInnen galten bis dahin als Nachwuchspotential für Führungskräfte im österreichischen Bauernbund. Ich sollte also solche AbsolventInnen kontaktieren und einen Gründungstermin festlegen. Franz Stummer hatte die Phantasie, dass tausende von Bergbauern und -bäuerinnen mitmachen würden, wenn das Boot nur groß genug sei. Dazu wollte er als Direktor einsteigen. Diese Organisation sollte den üblichen Regeln folgen: Der Direktor sagt von oben an, wo es langgeht. Ich hatte hingegen mein in Brasilien erlerntes Modell im Kopf, bei dem die Beteiligten bei allen Lösungen mitdiskutieren. Die Einbindung der Betroffenen ist ein Konzept der Pädagogik von Unten nach Paolo Freire.
Ein Konflikt war damit vorprogrammiert
Ich wusste, dass ich Franz Stummer mit seiner Idee einer Massenorganisation, welche von Oben gelenkt würde, enttäuschen musste, denn mich hat immer die Politik von unten interessiert. Meiner Ansicht nach sollte sich die ÖBV genau hierin von Organisationen wie dem Bauernbund unterscheiden. Im Herbst 1973 fuhr ich, damals noch bei der Katholischen Aktion Salzburg angestellt, quer durch Österreich, um angehende Führungskräfte aus der Katholischen Landjugend zu besuchen und zu gewinnen. Für Dezember plante ich penibel ein einwöchiges Seminar im Bundesheim für Erwachsenenbildung in Strobl. Es sollte Zeit sein, um die Sache gründlich gemeinsam vorzubereiten. Zum Seminar kamen 24 Männer und eine Frau. Am dritten Tag sollte die Gründung in Anwesenheit von Franz Stummer erfolgen. Das Interesse der Teilnehmenden hatte in den ersten beiden Tagen bei der Beteiligung der Betroffenen gelegen. Das Organisationsmodell von Oben sei schon im Bauernbund vorhanden und als alternative Organisations bräuchte es eben eine alternative Organisationsform. Am Mittwochabned kam es anstt einer Gründung zu einem Eklat. Franz Stummer reagierte stinksauer:"Was hast du denn da organisiert?"
Franz Stummer zeigte jedoch menschliche Qualitäten und war nicht nachtragend. Wir holten die Gründung im Jänner 1974 nach und er verschaffte und Zugang zu Bundeskanzler Bruno Kreisky. Stummer hätte unter ihm Staatssekretär für Landwirtschaft werden sollen, dies scheiterte jedoch an der Opposition des Bauernbundes. Schon im dritten Monat nach der Gründung verlangte der Bauernbund mit dem gewählten Vorstand der ÖBV. Am Ende verlante der Präsident des Bauernbundes, Sixtus Lanner, dass wir vierteljährliche berichte liefern sollten über das, was wir planten. Kühl blieb die Verabschiedung, nachdem ich in den Raum geworfen hatte: Wir haben euch nicht um Erlaubnis bitten müssen, ob wir uns gründen dürfen. Nun werden wir euch nicht fragen, was wir tun dürfen.
Werschöpfungstheorie
Die Vernetzung von Praxiswissen, Wissenschaft und Behörden sah ich als meine Aufgabe in der ÖBV. Ein Kernbereich wurde die Wertschöpfungstheorie, und wir begannen, dieses aus dem Handwerk bekannte Konzept der Wertsteigerung von Rohmaterial durch Verarbeitung in die Landwirtschaft zu übertragen. Bauern sollten in die Direktvermarktung und Veredelung ihrer Produkte einsteigen, ähnlich wie ersten Biobetriebe es damals vorzeigten. Es entstanden Initiativen in diese Richtung. Jedoch ließen es die Strukturen der landwirtschaftlichen Genossenschaften nur begrenzt zu, dass Bauern an ihrer Wertschöpfung auch direkt teilhaben konnten. Mehr dazu im Kapitel zum Raiffeisenverband.
Milchüberschuss und Raiffeisen als Krisengewinner
Zu Beginn der 1980er Jahre wurde eine Milchkontigentierung eingeführt. Diese Maßnahme sollte Überschüsse, die die Preise drückten, vermeiden. Jedoch spielte der Raiffeisenverband hier eine kontraproduktive Rolle: Bauern wurden animiert, mehr Milch zu produzieren. Von Geldzuschüssen der Bundesregierung zur Krisenabwendung profitierten letztendlich die Raiffeisen-internen Verarbeitungsbetriebe und ihre Funktionäre.
Wie Bundeskanzler Kreisky uns in die Lösung eines Problems der Staatssicherheit einbezog
Im Herbst 1977 terrorisierte die RAF die Bundesrepublik Deutschland mit Anschlägen und Entführungen. Einige linksradikale Gruppierungen in Wien schienen Kanzler Bruno Kreisky damals Potenzial für Nachahmung zu bieten. Spartakus war eine Gruppierung, die gegen autoritär geführte Heime protestierte und bei Demonstrationen mit Pflastersteinen warf. Eine andere war Longo Mai, die Schafe züchtete und Kommunen gründete. Eigentlich ein friedlicher Ansatz. Wirklich radikal waren nur wenige von ihnen. Dennoch befürchtete Bundeskanzler Kreisky Probleme mit diesen sehr links orientierten Gruppierungen. Er wünschte, dass sie aufs Land ziehen mögen. Nun wurde eine Strategie entwickelt, in der die ÖBV mit Longo Mai gemeinsam zu einer Sitzung berufen wurden, um Sonderförderung zu beantragen. Jedoch wurde mir beim Gedanken, mit Willi Stelzhammer, einem sehr militant auftrtenden, bürgerlichen Longo Mai Vertreter in Wien verhandeln zu müssen unwohl. Mein rettender Gedanke war, die Sitzung ins Waldviertel verlegen zu lassen. Bruno Kreisky fand diesen Vorschlag gut und im Zusammenhang mit der Konferenz im Waldviertel entstand die Idee zur Ausstellung 1979 auf dem Platz am Hof.